KI-Tools und deren Auswirkungen auf Hochschulen

Spätestens seit der Veröffentlichung von ChatGPT durch OpenAI Ende November 2022 sehen sich nahezu alle Felder des täglichen Lebens – und damit ganz besonders auch der gesamte Bildungsbereich – mit in dieser Breite und gleichzeitig Tiefe zuvor selten dagewesenen Zahl an Fragen, Herausforderungen und Chancen konfrontiert. Nicht umsonst werden hierzu Querverweise wie z.B. ein gewisser „Dampfmaschinen-Moment“ bemüht.

Parallel zur Herausforderung, die mögliche Breite und Tiefe der Auswirkungen von KI-Tools auf das jeweilige Feld (in unserem Falle den Bildungsbereich, noch konkreter den Bereich der Hochschulbildung) zu fassen, handelt es sich bei KI-Tools um ein extrem dynamisches, kaum überschaubares Feld.

Hierbei ist das Grundverständnis enorm wichtig, dass ChatGPT zwar einen sehr präsenten, aber eben nur einen Ausschnitt eines stark wachsenden Feldes repräsentiert. Das Feld der KI-Tools wächst aktuell stark und stetig mit täglich mehreren Dutzend neuer Tools unterschiedlichster Art und Qualität (das Portal theresanaiforthat.com listet 7.502 Tools für 2.062 unterschiedliche Anwendungsfälle, Stand: 31.08.2023). Hinzu kommen – ebenfalls mit Stand 31.08.2023 – allein für ChatGPT mehr als 640 Plugins mit unterschiedlichen Funktionserweiterungen. Tendenz: stark wachsend.

Kernziele in Bezug auf Hochschullehre bei der Betrachtung von KI-Tools

  • Zunächst Entwicklung eines Grundverständnisses, dass es überhaupt zwingend einer Eingrenzung bzw. Fokussierung bedarf, um sich im Feld der Tools nicht zu verlieren (Vorschläge dazu weiter unten).
  • Kennenlernen zur Verfügung stehendender Spannbreiten (Positionen, Umgangs-/Nutzungsmöglichkeiten), deren Ausdeutung und Nutzung für die Lehre.
  • Auf individueller Ebene Sicherheit im Umgang mit KI-Tools gewinnen sowie im Allgemeinen in Bezug auf KI-Tools und damit einhergehende Herausforderungen handlungsfähig werden bzw. bleiben.

Herausforderungen und Chancen durch KI-Tools für die Hochschullehre

Herausforderungen

Chancen

Einsatz von KI-Tools geschieht derzeit im Rahmen der Lehre auf – für alle Seiten – freiwilliger Basis, da vielfach ungeklärte datenschutzrechtliche Lage (damit einher geht bspw., dass Nichtverwendung zu keinen Nachteilen führen darf oder bei der Eingabe von Prompts keine vertraulichen oder personenbezogenen Informationen zu verwenden sind.

 

Durch die vielschichtigen Diskurse ist ein Bewusstseinswandel bereits deutlich erkennbar: so sind definitiv neue Möglichkeiten zur fachlichen Auseinandersetzung/Prüfung von Inhalten/auch Effizienzsteigerung gegeben.

 

Es besteht eine vielfach ungeklärte lizenzrechtliche Lage mit unterschiedlichen Optionen: Bereitstellung von hochschuleigenen Accounts (wenn rechtl. einwandfrei?), Studierende über datenschutzkonforme Plattformen einbinden (immer verfügbar?) – aktuell besteht jedoch eher „Wildwuchs“ mit allen damit verbundenen Herausforderungen.

 

Parallel bestehen Chancen durch neue, notwendige Förderungen digitaler Kompetenzen der Studierenden (stark wachsender Stellenwert und durch HS abzusichern).

 

Eine Herausforderung ist die geringe Verfügbarkeit von Best-Practice-Beispielen, an denen sich Hochschulen orientieren können. Entscheidungen/Vorkehrungen müssen ständig hinterfragt und gegebenenfalls aktuellen Entwicklungen angepasst werden.

Letztlich bestehen durch die Bearbeitung der Herausforderungen und in der Auseinandersetzung mit neuen Fragen immer Chancen für Hochschulen zur Weiterentwicklung (so stellen ein Bedarf an Wandel und Erneuerungsprozesse letztlich auch keine gänzlich neue Situation dar – neu ist wahrscheinlich die Geschwindigkeit, in der sich alles vollzieht).

Möglichkeiten zur Einordnung von KI-Tools

a) Theoretische Einordnung nach dem Vorgehen des Tools (Synthese vs. Analyse) sowie nach der Fokussierung des Einsatzzwecks (Allgemeine Nutzung vs. Spezifische Nutzung):

Quelle: eigene Darstellung nach Pinkwart 2023

b) Praktisch orientierte Einordnung/Gruppierung nach Einsatzmöglichkeiten in der Lehre:

Textgenerierende KI-Tools:

  • Allg. Textassistenz/Texttools: z.B. ChatGPT, perplexity.ai
  • Spez. Texttools: z.B. text-cortex, Writesonic, scite.ai
  • Spezialfall Fremdsprachen/Übersetzungen: z.B. DeepL, DeepL Write

Visualisierende KI-Tools:

  • Präsentationen/Grafik: z.B. beautiful.ai, kroma.ai, Canva, Simplified, Slides.AI
  • Bildgenerierende Tools: z.B. Crayon (DALL-E-Basis), Stable Diffusion, Neural.Love, Midjourney
  • Videogenerierende Tools: z.B. designs.ai, NVIDIA AI (künftig verfügbar und deutlicher qualitativer Sprung)

„Spezialfälle“:

  • 3D-generierende Tools: z.B. 3Dpresso, OpenAI Point-E
  • Spezialfall Forschungsdokumente/Forschungsdaten: z.B. scite.ai, elicit
  • Weitere Anwendungsfälle im akademischen Bereich bietet z.B. die Übersicht AI-Tools für Academia

Einsatzszenarien von KI-Tools in der Hochschullehre

Bei der Betrachtung der Auswirkungen von KI-Tools auf Hochschullehre rücken insbesondere folgende vier Felder in den Fokus (die Auswirkungen durch KI-Tools und mögliche Gestaltungsspielräume werden nachfolgend zusammenfassend skizziert):

1) Generelle rechtliche Aspekte (Rahmenbedingungen)

Hinweis: Da der Umgang mit KI und KI-Tools derzeit an jeder Hochschule unterschiedlich erfolgt bzw. ausgelegt wird und zudem keine rechtssichere Orientierung verfügbar ist, können an dieser Stelle (noch) keine verbindlichen Empfehlungen ausgesprochen werden.

Insbesondere größere Hochschulen haben in ihrem Wirkungskreis Empfehlungen herausgegeben (siehe hierzu z.B. div. Dossiers des Hochschulforums Digitalisierung). Auch einzelne Rechtsgutachten (z.B. Ruhr-Universität Bochum) sowie Handreichungen von übergeordneten Instanzen wie z.B. dem bereits erwähnten Hochschulforum Digitalisierung, dem Centrum für Hochschulentwicklung oder Deutschen Gesellschaft für Hochschuldidaktik sind verfügbar. Eine Einheitlichkeit oder gar Verbindlichkeit sind derzeit jedoch (noch) nicht vorhanden.

Die im Kern betroffenen Felder und deren Ausdeutungen bewegen sich zwischen folgenden Positionen:

  • Urheberschaft an erzeugten Inhalten (Standpunkte variieren zwischen: ChatGPT vs. jeweilige Nutzer:in)
  • Umgang mit Quellenangaben (Standpunkte variieren zwischen: „durch bisherige Regelungen bereits abgedeckt“ vs. „blinder Fleck in bisherigen Regelungen vorhanden“)
  • Betroffenheit von Selbstständigkeitserklärungen (Standpunkte variieren zwischen: „durch bisherige Regelungen bereits abgedeckt“ vs. „blinder Fleck in bisherigen Regelungen vorhanden“)

2) Betroffenheit von Prüfungsszenarien/-fragestellungen

Hinweis: Den (rechtl.) Rahmen geben die geltenden Prüfungsordnungen, Eigenständigkeitserklärungen oder Leitlinien der jeweiligen Hochschule vor.

Auch in diesem Feld sind verschiedene Positionen vorzufinden: Ein grundsätzlich möglicher (und derzeit auch vorzufindender) Ansatz ist, auf KI-Tools mit einer Rückkehr zu herkömmlichen, vermeintlich wenig anfälligen Prüfungsformen zu reagieren („Renaissance des Mündlichen und der Klausur im klassischen Sinne“). Wiederum sind gegenteilige Ansätze vorzufinden, die für eine Erhöhung des reflexiven Anteils oder ggf. die erstmalige Ergänzung eines reflexiven Anteils bei Prüfungsleistungen plädieren und sich eher auf die Anpassung von Aufgabenstellungen konzentrieren: z.B. bewusstes Ausloten von Grenzen der KI, Reduktion reiner Faktenwiedergabe.

Konkrete Auswirkungen auf Prüfungsleistungen/Leistungsnachweise:

  • Für in Präsenz stattfindende Klausuren, digitale Präsenz-Prüfungen (bei Zulässigkeit der Verwendung techn. kontrollierter Umgebungen) und mündliche Prüfungen besteht momentan kein Handlungsbedarf.Kritisch hingegen sind schriftliche Arbeiten, die zu Hause angefertigt werden (auch: Vorbereitungen zu Referaten/Präsentationen) und generell Situationen, in den ausreichend Zeit für eine KI-Nutzung vorhanden wäre.
  • Ein generelles Verbot der Verwendung von KI-Tools ist nicht sinnvoll, da es derzeit keine Möglichkeiten gibt, KI-generierte Texte sicher zu erkennen. KI-generierte Texte sind keine Plagiate und können daher nicht von Plagiatssoftware erkannt werden.
  • Derzeit angebotenen Lösungen zum Erkennen von KI-generierten Texten liefern sowohl falsch positive als auch falsch negative Ergebnisse und sind daher nicht geeignet, ein Verbot wirksam zu überwachen.

Empfehlungen, wenn keine Änderungen des Prüfungsformats an sich möglich sind:

  • Formulieren möglichst konkreter/spezifisch formulierter Themen bzw. Aufgabenstellungen für schriftlicher Hausarbeiten(noch) kritischerer Blick auf das Quellenverzeichnis/sorgfältiger Abgleich mit Inhalten; sorgfältiges Lesen der abgegebenen Arbeiten
  • Ermöglichen einer Co-Autorenschaft zwischen Studierenden und KI-Tool (hierzu ggf. Anpassung der Eigenständigkeitserklärungen notwendig)

Empfehlungen, wenn Änderungen an Prüfungsformaten implementierbar sind:

  • Ergänzung von kurzen Fachgesprächen bei oder nach Abgabe einer Arbeit
  • Einreichen von Zwischenständen der Arbeit / Berücksichtigung des reflektierten Entstehungsprozesses in der Bewertung (ggf. Neudefinition der Bedeutung von Portfolio-Arbeit)

3) Gestaltung von Lehre bzw. konkreter Einsatz in der Lehre

Hinweis: Den (rechtl.) Rahmen geben die geltenden Prüfungsordnungen, Eigenständigkeitserklärungen oder Leitlinien der jeweiligen Hochschule vor.

Möglichkeiten – gezielte Integration der KI in der Lehre:

  • Hierfür Regeln für KI-Nutzung aufstellen (Spannweite auch hier: von generellem Verbot bis ungeregelter Nutzung, aber auch Mittelwege vorhanden: definiert)
  • Integration von KI/KI-Tools als Thema bzw. Gegenstand von Lehrveranstaltungen (Zielstellung: Auseinandersetzung mit…): z.B. als zielgerichtetes Austesten von KI, Ausloten von Grenzbereichen in jeweiliger Disziplin, Auseinandersetzen und insbesondere Diskutieren
  • Auseinandersetzung mit dem fachlichen Thema auf höherer Ebene durch Verstehen der grundlegenden Funktionsweisen von KI-Tools / Herausfinden von Beschränkungen textgenerierender KI und kritischer Reflexion des KI-generierten Outputs

4) Nutzen als Lehr-Support bzw. Arbeitshilfe

KI-Tools bieten Lehrenden darüber hinaus vielfältige Unterstützung bzw. können als Hilfsmittel für Lehre und Forschung sowie bei zahlreichen administrativen Aufgaben dienen.

Praktische Anwendungsbeispiele – Entlastung/Unterstützung insb. bei administrativen Aufgaben/Routineaufgaben:

  • Generelle Nutzung für das Erzeugen von (Text-/Bild-)Inhalten: z.B. Textvorlagen aller Art, Abbildungen/Grafiken für Präsentationen, Erzeugen von Tabellen (auch aus eigenen Daten), Erzeugen von Programmcode usw., Lernmaterialien in einfacherer Sprache erstellen/umformulieren lassen, Übersetzungen bestehender Inhalte etc. (die Nutzung aus Lehrendensicht ist also nicht grundsätzlich verschieden von der möglichen Nutzung durch Studierende).
  • Hilfe bei bzw. Anregungen für die Gestaltung von Lerneinheiten: Vorschläge für Einstiege/Einstiegsfragen, konkrete Fall- oder Problemstellungen, Erstellung Advanced Organizer (Übersicht Inhalte, Lernziele), Vorschläge für Aufgaben, Arbeitsblätter, Quizfragen etc.
  • Umsetzung Constructive Alignment/Hilfe bei der Semesterplanung: Lernziele formulieren (auch bezogen auf Lernzielstufen), Vorschläge zur Semesterplanung (unter Eingabe der entsprechenden Rahmenbedingungen), Modulbeschreibungen/Veranstaltungsbeschreibungen erstellen/überarbeiten etc.
  • Anregungen für Prüfungsszenarien: Formulierungsvorschläge für Prüfungsformen oder Aufgabenstellungen (z.B. Single-/Multiple Choice-Aufgaben) sowie für dazugehörige Bewertungen (Vorschläge für Musterlösungen und Vorschläge für Bewertungskriterien), Vorschläge für Feedbacktexte/Gutachtentexte – Hinweis: die eigentliche Bewertung muss rechtl. gegenwärtig jedoch durch Menschen erfolgen!
  • Unterstützung für sämtliche Formen von (schriftl.) Kommunikation: Verwendung von Vorschlägen für Einladungstexte, Vorlagen für Ankündigungen, News etc.

Allgemeine Einführung in die Thematik

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